Vor mind. 15 Jahren bin ich diese Strecke schon einmal gefahren, allerdings in anderer Richtung und damals mit einem Mountainbike. Nachdem ich nun im August 2017 nach der knappen Woche am Genfer See noch zwei volle Tage in Grindelwald verbrachte, bin ich die „Große Scheidegg“ noch einmal mit dem Rennrad angegangen. Meinen Transfer mit dem Auto vom Genfer See in das Berner Oberland führte ich am Sonntag Nachmittag durch und nachdem ich im Hotel eingecheckt hatte, hüllte die Abendsonne den Eiger in ganz wunderbares Licht, wie ich es, trotz meiner nun doch schon etlichen Aufenthalte in Grindelwald, so eindrucksvoll noch nicht erlebt hatte.
Da die Strecke nicht all zu lange ist, startete ich am späten Vormittag nach gemütlichem Frühstück. Zum Aufwärmen erst mal eine Runde durch den Ort vom Hotel (in der Nähe des Bahnhofs) über den Terassenweg. Hoch Richtung Jugendherberge kommen schon die ersten Höhenmeter zusammen.
Dann geht es in die Abfahrt ins Tal, Grindelwald liegt ja selbst schon auf knapp über 1000 m. Talwärts ist um diese Zeit nicht sehr viel Verkehr, die meisten, darunter viele Reisebusse, kommen mir entgegen und bringen Touristen in das Gletscherdorf Grindelwald. Nach Gündlischwand, dann im Tal angekommen, entschied ich mich spontan, erst mal noch einen Abstecher nach Lauterbrunnen zu machen, um mir den Staubbachfall noch einmal anzuschauen.
Erst bei der Rückfahrt wurde mir der Höhenunterschied richtig bewusst. Es ging doch sehr flott von Lauterbrunnen ( Höhe 802 m) wieder zurück Richtung Wilderswil und Interlaken (566 m).
Die Strassen sind sehr angenehm man fährt nun immer links oberhalb des Brienzer See entlang. Der Brienzer See, der von der Aare durchflossen wird und 14 km lang ist, beeindruckt besonders wegen seiner intensiv türkisfarbigen Wasseroberfläche.
Zur Ursache dieses Phänomens, hier ein informativer Audio Beitrag des Schweizer Radios:
https://www.srf.ch/sendungen/mailbox/warum-ist-die-aare-richtung-brienzersee-tief-tuerkisblau
Nach Brienz am Ende des Sees wird das Tal breiter. Bretteben und teilweise auch auf schnurgerader Straße geht es in das Haslital Richtung Meiringen.
In Meiringen fahre ich direkt in das Zentrum. An den zentralen Platz (mit Sherlock Holmes Museum) kann ich mich von der Tour vor 15 Jahren noch gut erinnern, dort soll Zeit für ein Eis und Getränkenachschub sein. Zunächst entdecke ich jedoch nicht weit abseits dieses Platzes, aber doch sehr ruhig gelegen, noch ein schönes Kirchlein und fahre die kurze Straße dort hin. Ein wunderschönes Kleinod. Die reformierte Kirche mit dem Heiligen Christophorus.
Danach widme ich mich dem „Ehrenbürger“ von Meiringen: Sherlock Holmes.
Ein Eis gibt’s am Kiosk gegenüber und die Wasserflasche kann man direkt am Bahnhof (Wasserbrunnen mit Aufschrift „Trinkwasser“) füllen.
Weiter geht’s. Nach Meiringen wird ja bekanntlich Schluss mit lustig, es geht steil Berg an. Entweder für die ganz Ambitionierten in die berühmten Alpenpässe oder, und so heute für mich, über die „Große Scheidegg“ zurück in das Hochtal von Grindelwald.
Vorbei geht’s an den Reichenbachfällen. Hier von unten gesehen. Die Strecke soll mich dann später noch oberhalb vorbeiführen.
Danach, wie gesagt, Schluss mit Lustig:
Ich darf dann irgendwann rechts abbiegen und auch für mich beginnt die Kletterei. Meine Strecke belief sich bis dahin auf 69 km. Bis zur Passhöhe sollte es noch 16 km nach oben gehen.
Jetzt zeigte sich auch, dass theoretisch ein und dieselbe Strecke, in verschiedener Richtung gefahren, halt doch in der Praxis als zwei völlig verschiedene Strecken erlebt werden. Und ich bin sehr froh, dass ich diese landschaftlich außerordentlich reizvolle Strecke, nun auch von dieser Talseite hochgefahren bin. In meiner verblassten Erinnerung von damals lag das Rosenlaui Hotel so kurz vor Abfahrtsende und jetzt dauerte es schon ordentlich, bis dieses Etappenziel erreicht wurde.
Zwei Teilstück haben es in sich, so empfand ich es zumindest, der erste steile Anstieg bis oberhalb der Reichenbachfälle und dann nochmal ein sehr steiles Teilstück nach der Schwarzwaldalp. Aber jedesmal nach diesen Steilstücken bietet sich dann auch wieder so eine grandiose Alpenlandschaft, dass einem die Anstrengungen nicht schwer fallen.
Auf diesem Abschnitt hatte ich immer wieder Gesellschaft von zwei englischsprachigen Rennradlern. Am unteren Steilstück liess ich mich gerne von ihnen überholen, weiter oben machten die beiden jedoch immer wieder so viel Fotopausen, dass wir immer wieder mit großem „Hello“ aufeinandertrafen.
Während zunächst bis zu dem oberen Bereich der Reichenbachfälle und auch noch bis Rosenlaui immer wieder vereinzelt Autos unterwegs waren, ist danach die Straße nur noch für den Postbus (und den Velos) geöffnet. Dem Postbus, der sich immer wieder durch sein markantes Dreiklanghorn bemerkbar macht, ist Vorrecht zu gewähren, da heißt es halt mal kurz raus auf die Wiese, stehenbleiben und passieren lassen.
Da ich beim Hochfahren überlegt habe, ob ich die Klangfolge der kompressorbetriebenen Hörner der Busse nach Gehör richtig zuordnen kann (ist mir aber nicht gelungen, hatte sie zu tief angesiedelt), habe ich nachträglich recherchiert:
Das berühmte Klangmotiv ist dem Andante der Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis Oper «Wilhelm Tell» entlehnt und umfasst die Tonfolge cis-e-a in A-Dur.
Irgendwann merkt man dann, all zu lange kann es nicht mehr dauern. In schönen Schleifen zieht sich der Pass nach oben und ab und zu, ist noch von der letzten Tour de Suisse oder einem anderen Fahrradrennen die eine oder andere verblasste Aufschrift „Hopp …“ „nur noch 2 km“ zu lesen.
Auf der Passhöhe gibt es ein Gasthaus und die Bus-Station, Touristen und Kühe. Und eine grandiose Sicht auf die 4000er Gipfel der Jungfrau Region.
Immer wieder sehr beeindruckend von hier aus zu sehen, der schmale Grat des Eigers.
Hier oben wäre ich am liebsten stundenlang noch in der Sonne gesessen, denn so langsam war dann auch klar, dass sich der Urlaub dem Ende zuneigt.
Irgendwann ging ich dann doch in die Abfahrt nach Grindelwald. Unten lockte immerhin der Wellnessbereich mit Schwimmbecken des Hotels. Die Kunst des wirklich guten Fahrens liegt in der Abfahrt. Für mich als eigentlich immer noch Anfänger, ist das ziemlich anstrengend. Unglaublich (Video ist ganz unten verlinkt), wie die Profis sich da runterstürzen.
Durch meine morgendliche Aufwärmrunde durch Grindelwald und den Abstecher nach Lauterbrunnen, hatte ich am Schluss doch beinahe 100 km geschafft.
Hier ein YouTube Video von der Tour de Suisse 2011 mit der Überfahrt der großen Scheidegg und der 9 km langen Abfahrt nach Grindelwald.
https://youtu.be/VtpQ_7Bj_YM